Dritter Teil des Interviews mit Sare Özer - Schokofabrik
Die HAYDİ-Figur balanciert auf einem Seil über den Dächern der TH Wildau.

HAYDİ bakalım, los geht’s!

Das Projekt HAYDİ! startet einen Blog. Wenn Du gerade angefangen hast, zu studieren, oder Dich für ein Studium interessierst, bist Du hier genau richtig.

Zurück zur Übersicht
  1. Sie sind hier:
  2. HAYDİ! Blog
  3. Dritter Teil des Interviews mit Sare Özer - Schokofabrik
Dritter Teil des Interviews mit Sare Özer - Schokofabrik

Vielfältigkeit in der Sozialen Arbeit

 

Liebe Sare, beim letzten Mal haben wir vor allem Fragen von Bildung und Herkunft besprochen. Lass uns doch heute noch einmal auf den Begriff „Diversity“ und dessen Stellenwert in eurer Arbeit eingehen. Ende Januar gab es ja zum Beispiel die Diskussion um die Einführung einer Quote von Menschen mit Migrationshintergrund in der Berliner Verwaltung.

Wie beurteilst du diese Diskussionen auch um den Begriff „Diversity“ in Bezug auf deine Arbeit?

In Diversity-Strategien wird Diversität als ein Mehrwert, als Ressource gesehen. Verschiedenheit wird nicht als zugeschriebene Verschiedenheit problematisiert, sondern als Potential vorausgesetzt, um ökonomisch verwertet zu werden. Machtverhältnisse werden dabei nicht in Frage gestellt und es verändert sich letztlich nichts für die Lebensverhältnisse von Menschen, die diskriminiert und benachteiligt werden. Im Gegenteil, ich würde sogar sagen, gewaltvolle Situationen verfestigen sich für Betroffene, denn sie kommen durch enorme Kraftanstrengungen an Orte, an denen sie erneut verkrustete Strukturen vorfinden und diskriminierende Erfahrungen machen müssen.

Ich würde mich freuen, wenn es einmal andersherum wäre, wenn sich die Institutionen und Einrichtungen, die für sich eine Diversity nahe, kultursensible, diskriminierungskritische Arbeit und Beratungspraxis beanspruchen, zunächst daran arbeiten, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Rassismus und Diskriminierung ziehen sich strukturell durch unsere Gesellschaft, ihre Institutionen und Einrichtungen. Und gerade Beratungssituationen lassen sich nicht von Rassismus und anderen Diskriminierungsformen loslösen. Auch nicht, wenn Diskriminierung darin nicht direkt ausgeübt wird. Grundvoraussetzung, um Ratsuchenden sensibel zu begegnen, wäre die Reflektion aller beratenden Personen, die eigene Position innerhalb der Gesellschaft zu betrachten, über eigene Verstrickungen in rassistische und diskriminierende Strukturen nachzudenken und sich mit eigenen Diskriminierungserfahrungen und eigenen Privilegien auseinanderzusetzen.

In der Schokofabrik findet gerade ein Prozess der kritischen Selbstreflektion statt, der von der Beratungsstelle „Reach Out“ begleitet wird. Alle Mitarbeiterinnen* werden während dieses Prozesses an Workshops teilnehmen, die uns zu den Themen Diskriminierung und Rassismus stärker sensibilisieren sollen.

 

Das ist tatsächlich bemerkenswert und im Hinblick auf den Wandel der Institutionen sicherlich noch ein Vorgang mit Seltenheitswert. Neben der von dir angesprochenen Reflektionsarbeit liegen natürlich die konkreten und alltäglichen Probleme und Anliegen eurer Schüler:innen. Was sind eigentlich deren Hauptanliegen? Mit welchen Erwartungen werdet ihr aufgesucht?

Für die Mädchen* ist es wichtig, im Treffpunkt einen sicheren Ort, einen „safe space“ zum Lernen und Austauschen zu finden. Ich zweifle mittlerweile daran, ob es tatsächlich sichere Orte, sogenannte „safe spaces“ in der Realität geben kann. Vielleicht wäre es treffender von „safer spaces“ zu sprechen. Denn wie zuvor erwähnt, ziehen sich Rassismus und andere Diskriminierungsverhältnisse durch alle Strukturen der Gesellschaft und auch der Treffpunkt kann nicht komplett frei davon sein. Für meine Kolleginnen* und mich ist aber das ernsthafte Bemühen, einen „safer space“ zu gestalten, wichtig und dazu gehören die kontinuierliche Reflexion und das Hinterfragen der eigenen Positionen als Mitarbeiterinnen* eines solchen Ortes. Wir als Mitarbeiterinnen* tragen Sorge und Verantwortung dafür, dass die Mädchen* sich im Treffpunkt sicher, anerkannt und respektiert fühlen. Darin werden wir hervorragnd von unseren Nachhilfelehrerinnen* unterstützt, die auch ideell unterstützen, indem sie vertrauensvolle Beziehungen zu den Mädchen* aufbauen und wertvolle eigene Erfahrung weitergeben. 

 

Liebe Sare, ich danke dir für diese großartigen Ausführungen und wünsche euch allen in der Schokofabrik weiterhin viel Erfolg bei eurer wichtigen und bemerkenswerten Arbeit.

 

Nachtrag:

Mädchen* und mit Mädchen* und Frauen* meinen wir alle, die Mädchen* und Frauen* sein wollen, sollen oder müssen. Gleichzeitig markiert das * die Unabgeschlossenheit und Veränderbarkeit von Geschlecht.

 

Weiß: Als weiße Menschen bezeichnen wir jene, die nicht von Rassismus betroffen sind. Andere Diskriminierungen wie z.B. Altersdiskriminierung, Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, einer Behinderung, der sexuellen Orientierung, etc. können hingegen alle Menschen treffen – weiße und schwarze Menschen.


Kommentare

Keine Kommentare

Kommentar schreiben

* Diese Felder sind erforderlich