Interview mit Abdul
Die HAYDİ-Figur balanciert auf einem Seil über den Dächern der TH Wildau.

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Interview mit Abdul

Interview mit Abdul

Der heutige Blog ist ein Interview mit Abdul. Das ist natürlich nicht sein echter Name.

Zu seinem Schutz haben wir diesen geändert.

Abduls Geschichte hat mich sehr berührt, sie war sehr motivierend und hat mir wieder einmal gezeigt, wie viel man schaffen kann, wenn man es wirklich will.

Abdul hat trotz schlechter Bedingungen seine Schule gemeistert und ist nun kurz vor dem Studieren.

Das nenn‘ ich eine Erfolgsgeschichte!

 

Yelda: Hallo Abdul, schön, dass du für das Gespräch Zeit gefunden hast. Wie geht es dir ?

 

Abdul: Hallo Yelda, mir geht es gut, ich hoffe, dir auch. Sehr gern, ich hoffe, meine Geschichte ist auch spannend genug. (Lacht nervös)

 

Yelda: Da bin ich mir sicher! Kannst du uns etwas über dich erzählen?

 

Abdul: Gern. Ich heiße Abdul und bin 23 Jahre alt. Ich habe vor einem Jahr mein Abitur nachgeholt und fange hoffentlich im Wintersemester 2021 an zu studieren.

 

Yelda: Wir kennen uns ja schon etwas länger, deswegen weiß ich auch etwas mehr über deine Geschichte und deinen Werdegang. Wärst du bereit, etwas mehr über deinen Weg nach Deutschland und deine Geschichte zu erzählen?

 

Abdul: Oh, wo soll ich da beginnen?

Meine Kindheit habe ich in Syrien verbracht, genauer in Afrin.

Afrin grenzt an die Türkei, deswegen verstehe ich auch etwas Türkisch.

Da meine Familie in einem Dorf gewohnt hat, bin ich eher auf dem Land groß geworden. Wir hatten viel Natur, viel Sonne und als Kind auch noch viel Freizeit.

Da wir im Dorf gelebt hatten, hatten wir nicht besonders viel mitbekommen, was in der Stadt vorging. Wir hatten kein Radio oder Fernseher, deswegen waren es meistens Bekannte oder Freunde, die uns über die neusten Geschehnisse berichteten.

Ich möchte nicht zu sehr auf Politisches eingehen, aber zu der Zeit hatten wir von Bekannten gehört, dass die Umgebungen von Afrin angegriffen worden sind, und dass es früher oder später auch Afrin treffen würden.

Ich fasse es mal etwas zusammen. Da wir Bekannte und auch Familienmitglieder in Deutschland hatten, hatten wir uns schnell dafür entschieden, nach Deutschland zu fliehen.

Ich konnte davor auch schon etwas Deutsch, ich hab‘ es verstanden und konnte es auch etwas sprechen.

Aus Gründen, auf die ich im Moment nicht näher eingehen möchte, sind am Ende nur mein Vater und ich 2017 nach Deutschland geflohen. Der Rest meiner Familie ist zum Teil in Syrien geblieben und zum Teil nach Frankreich geflohen.

Auf dem Weg nach Deutschland bin ich auch eine Weile in der Türkei bei Bekannten geblieben. Da wir in einer eher konservativen Gegend gewohnt haben, wurde mir ausdrücklich gesagt, kein Kurdisch zu reden. Das hatte aber auch was Gutes, denn so hab‘ ich mein Türkisch verbessert.

Nach ein paar Monaten sind wir dann nach Deutschland.

Bis heute habe ich nicht verstanden, warum ich in Deutschland bleiben durfte und mein Vater nicht. Um ehrlich zu sein, haben wir auch nicht bei den Behörden nachgefragt. Wir beide hatten zu sehr Angst, dass der Grund für meine Aufenthaltsbestätigung nur ein Fehler sei.

Sobald ich die Chance bekommen habe, bin ich sofort in die Schule gegangen. Ich habe‘ meinen Abschluss nachgeholt, denn in Syrien hatte ich nicht die Möglichkeit dazu.

Überraschenderweise fiel mir der Schulstoff nicht besonders schwer, so hab‘ ich meine ganze Zeit dafür verwendet, Deutsch zu lernen. Das ist eine Sache, auf die ich sehr stolz bin, wenn ich das mal so sagen darf.

 

Yelda: Und wie hast du empfunden, dass dich Deutschland aufgenommen hat?

 

Abdul: Eigentlich hat mich Deutschland gut empfangen.

Ich hab‘ die Möglichkeit bekommen, Deutsch zu lernen und auch Schule zu machen.

Natürlich sind auch ein paar Sachen passiert, die nicht so erfreulich waren. Aber ich denke, das gehört auch dazu. Es kann ja nicht alles perfekt laufen. Ich denke, Deutschland hat wirklich Gutes geleistet.

 

Yelda: Das ist natürlich schön zu hören, ich bin immer wieder neu fasziniert davon, wie positiv du alles siehst!

Wie war hier die Schule im Gegensatz zu der in Syrien?

 

Abdul: Wir haben tatsächlich ein ähnliches Schulsystem. Wir haben auch Schulpflicht und eine Art Grundschule, die auch sechs Jahre geht.

Jedoch ist bei uns der Unterschied, dass wir zwar eine Schulpflicht haben, diese aber öfters ignoriert wird, wenn Mädchen betroffen sind. Meine Schwestern haben nicht so viele Jahre in der Schule verbracht wie ich.

Würde es nach der Gesellschaft gehen, hätte man sie schon längst verheiratet. Dagegen haben sich aber meine Geschwister und meine Eltern gewehrt.

 

Yelda: Das scheint mir so, als hättet ihr eine starke Familienbindung.

 

Abdul: Ja das stimmt.

Meine Eltern sind Analphabeten, das heißt aber nicht, dass sie wenig Wissen haben!

Sie wissen, was richtig und was falsch ist, ohne bekannte Philosophen und Schriftsteller gelesen zu haben.

Sie haben sich noch nie zu etwas zwingen lassen, vor allem nicht von der Gesellschaft.

Mal kurz eine andere Geschichte: Mein Vater ist eigentlich als politischer Flüchtling nach Syrien gekommen. In seinem Heimatland hat er auf den Straßen mitgeholfen, einen Bürgerkrieg zu planen.

Er hat es gerade so noch geschafft zu fliehen, und Jahre später trifft ihn wieder dasselbe Schicksal, auch wenn er diesmal nicht als politischer, sondern als Kriegsflüchtling in ein neues Land gekommen ist.

 

 

graffiti an der Wand
© Pixabay

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