14. Wildauer Bibliothekssymposium am 13. & 14. September 2022
Innovationskultur braucht Riskobereitschaft und Fehlerkultur – darin sind sich alle einig. Nur: Was konkret kann helfen, beides praktisch zu leben im Bibliotheksalltag?
Unter dem Arbeitstitel “Best of Scheitern” (oder “Schön scheitern”, “Protypen schaffen Typen”, “FuckUp Night”), soll in einem Überblick mit den TeilnehmerInnen zunächst gesammelt werden, was dazugerechnet werden kann. Herausgearbeitet werden soll, wie Akzeptanz, Transparenz dafür einen festen Platz finden kann. Eine sytematische Erfassung soll angestrebt werden und als lesson learned einer projektinitiierten Bibliotheksarbeit zur Seite gestellt werden. Gescheiterte Ideen/Projekte/Lösungen sollte es genug geben, die ein Schatz sind, wenn man daraus die richtigen Schlüsse für ähnliche Ansätze zieht, ob z.B. im Einsatz von Discovery-Tools, Ausleihbetrieb, QR-Codes, Medienerwerbung, RFID-Geräten etc.
Organisatoren des 14. Wildauer Bibliothekssymposiums sind Jens Ilg (Abteilungsleiter Benutzung und Information an der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden), Dr. Oliver Renn (Leiter des Informationszentrums Chemie | Biologie | Pharmazie an der ETH Zürich) & Dr. Frank Seeliger (Leiter der Hochschulbibliothek der TH Wildau)
13.09.2022: Best of Scheitern & Informelles Roboter-Anwendertreffen
Stefanie Blum-Effenberger (Universitätsbibliothek der Technischen Universität München): Das digitale Auskunftsangebot der Universitätsbibliothek TUM
Folien "Das digitale Auskunftsangebot der Universitätsbibliothek TUM"
„Von der Auskunftstheke zu digitalen Auskunftskanälen“ beschreibt das Projekt der Universitätsbibliothek der Technischen Universität München. Vor 10 Jahren mit 5 Kanälen gestartet, mussten zwischenzeitlich 3 Kanäle wegen technischer Probleme, datenschutzrechtlicher Bedenken oder geringer Nutzung eingestellt bzw. durch andere Kanäle ersetzt werden. Die Herausforderung bleibt, die Infrastruktur des Auskunftsangebots an das sich ändernde Kommunikationsverhalten der Bibliothekskund:innen anzupassen.
Prof. Dr. Thorsten Koch (Prof. für Mathematik an der TU Berlin und Leiter des Bibliotheksverbundes KOBV am ZIB): Warum scheitern Projekte und kann man etwas dagegen tun?
Folien "Warum scheitern Projekte und kann man etwas dagegen tun?"
Jemand sagte mal: "Bei der NASA explodieren nicht genug Raketen", das ist ein klares Zeichen, dass die Projekte nicht fortschrittlich genug sind.
Viele Projekte scheitern, besonders, wenn man sie an den ursprünglichen Zielen misst. Wann ist das schlecht? Was kann man dagegen tun? Einige Betrachtungen aus 20 Jahren Erfahrung und der Versuch etwas zu verallgemeinern.


Sara Melchior (Kunstbibliothek documenta archiv): Offener Umgang oder immer noch ein Tabu? Die Auseinandersetzung mit dem Scheitern als Lerngelegenheit in Fachdiskursen deutsch- und englischsprachiger Bibliothekscommunities in den letzten zehn Jahren
Im Vortrag beim Symposium möchte ich die Ergebnisse meiner Diskursanalyse vorstellen, die sich mit dem Scheitern als Lerngelegenheit in deutsch- und englischsprachigen Bibliothekscommunities beschäftigt. Ich stütze mich dabei auf Ergebnisse meiner Masterthesis, die ich im Mai 2022 im Rahmen des Master Library and Information Science an der TH Köln eingereicht habe und die in Kürze auf dem Hochschulrepositorium PubLIS Cologne veröffentlicht wird.
Eine 2012 publizierte Ausgabe der Zeitschrift LIBREAS plädierte für einen positiven Umgang mit dem Scheitern und vermisste damals insbesondere in deutschen Bibliotheken „nicht nur eine Kultur der Akzeptanz von Scheitern, sondern auch ein soziales Netz, um problemlos zu scheitern – und neu zu beginnen“ (LIBREAS.LIBRARY IDEAS (HRSG.), 2012. Libreas, Heft Scheitern. #20. S. 2.).
Wie sieht das zwischenzeitlich aus? Fast zehn Jahre später lässt sich sicher sagen, dass deutschsprachige Bibliothekscommunities einen offenen, reflektierten, vielleicht auch humorvollen, aber in jedem Fall auf Wissensweitergabe fokussierten Umgang mit Niederlagen, Fehlschlägen und Misserfolgen gefunden haben. Ebenso können nun Aussagen zu den bisher unerforschten Fragen gemacht werden, welche Akteure in den Bibliothekscommunities diese Agenda unterstützen und auf welche Art und Weise ein offener Umgang mit dem Scheitern zum Bestandteil der Fachdiskurse avanciert ist.
Der Vortrag adressiert die Fragen: Wer prägt aus welchen Gründen und auf welche Weisen die Fachdiskurse zum Thema? Wie findet der Umgang mit dem Scheitern in deutsch- und englischsprachigen Bibliothekscommunities statt? Ist der Tabubruch vollzogen oder bleibt die systematische Auseinandersetzung mit Misserfolgen ein Defizit? Anhand von prägnanten Beispielen aus den Ergebnissen der diskursanalytischen Studie wird in der Präsentation die Entwicklung des Diskurses aufgezeigt. Es wird dargestellt, in welchen Bereichen sich ein offener Umgang mit dem Scheitern als sinnvolle Maßnahme etabliert hat – und wo dies bisher nicht der Fall ist.
Gudrun Kelp (RUHR PM GmbH) & Thomas Zehler (Fraunhofer IESE) als Vorstände im Bitkom Arbeitskreis Projektmanagement: Heiter Scheitern im Projekt - Kriterien, Indikatoren und Learnings für Projektmanager:innen
Folien "Heiter Scheitern im Projekt - Kriterien, Indikatoren und Learnings für Projektmanager:innen"

Wenn »der König das so will«, Fehler ignoriert werden, Kommunikation nicht stattfindet oder während des Projekts die Anforderungen geändert werden, ohne auf die Folgen zu schauen, dann ist das Scheitern vorprogrammiert. Studienergebnisse haben gezeigt, dass 75% der Fehlerursachen in Projekten ihren Ursprung in der Initialisierungs- und Definitionsphase haben, die Auswirkungen aber erst im Zuge der Umsetzung spürbar werden. Der Bitkom Arbeitskreis Projektmanagement erarbeitete in einem seiner Mitgliedertreffen in Form eines World Cafés Kriterien, Indikatoren und Learnings für Projektmanager:innen, die im Vortrag thematisiert und vorgestellt werden sollen.
Hans-Peter Pohl (Dozent der TH Wildau und Kaufmännischer Vorstand in der Berlin-Brandenburgischen Stiftung für Bibliotheks-Forschung e.V.): Quo vadis Bibliotheksstiftung? Erfolgreicher Innovationspreis, aber weitere Ziele nicht erreicht
Effektives Fundraising für eine Stiftung setzt sich aus mehreren Bausteinen zusammen: Ein überzeugendes Konzept, das die Bedarfe und Erwartungshaltungen sowohl der potenziellen Leistungsgeber als auch der Leistungsnehmer integriert. Personelle Ressourcen. Identifikation der relevanten Stakeholder (Persönliche/r Leistungsgeber/in oder Entscheider/in, Door-opener) und ihrer Einstellungen, Erwartungshaltungen und ihres Informations- und Kommunikationsverhaltens im Rahmen einer Stakeholder-Analyse.
Kommunikative Präsenz der Stiftung (analog und digital) in der Wahrnehmung der relevanten Stakeholder. Persönliche Ansprache auf Augenhöhe bei der Akquisition mit Hilfe eines Netzwerkes. Rechtssichere Verträge. Professionelle Projektrealisierung. Vertragskonforme Umsetzung der Zusammenarbeit.
Warum außer der Durchführung der Innovationspreis-Projekte weitere Ziele wie der Aufbau eines Kapitalstocks für die Stiftung oder die Mittelbeschaffung für die Ausstattung von Projekten bisher nicht erreicht werden konnten, soll im Vortrag herausgearbeitet und Wege zur Überwindung der Probleme sollen aufgezeigt werden.
14.09.2022: Best of Scheitern
Jens Ilg (Abteilungsleiter Benutzung und Information an der Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden): Fehlerkultur beginnt mit dem Fehlen von Fehlerkultur? Ergebnisse einer Onlinebefragung
Folien "Fehlerkultur beginnt mit dem Fehlen von Fehlerkultur? Ergebnisse einer Onlinebefragung"
Bibliotheken und verwandte Einrichtungen konnten vom 16. Mai bis zum 3. Juni 2022 an einer kurzen Onlinebefragung teilnehmen, in der u. a. nach der Anzahl nicht erfolgreicher Projekte, nach dem Vorhandensein einer Fehlerkultur und nach Gründen für das Scheitern gefragt wurde. In diesem Beitrag werden erstmals Ergebnisse dieser Befragung vorgestellt.
Henriette Mehn (Projektmanagerin Wissenschaftskommunikation an der Sächsischen Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden): In 90 Minuten zu mehr Fehlern: Sprint für ein Fehlerkultur-Leitbild
Fehlerkultur-Leitbild für Bibliotheken
Der bewusst kurz gehaltene Workshop wird als Sprint moderiert und durchgeführt, in dem in Kleingruppen gearbeitet wird und an dessen Ende eine Art Leitbild stehen wird, das beantwortet, wie wir in unseren Bibliotheken mit Fehlern und Projektscheitern umgehen wollen. Dieses Leitbild wird so formuliert werden, dass es anschließend von allen Teilnehmenden für ihre jeweilige Bibliothek adaptiert werden kann.
Das Leitbild wurde erarbeitet von den Teilnehmenden des Workshops auf dem 14. Wildauer Bibliothekssymposium am 14.9.2022. Es kann als finales Leitbild dienen oder auch als anpassbare Grundlage für ein Fehlerkultur-Leitbild für die je eigene Bibliothek vor Ort. Fehlerkultur-Leitbild für Bibliotheken