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Çağlas Weg – von der Studienwahl, dem Studium der Logistik zur Zukunftsperspektive.

Çağla, 25 Jahre, ist gerade fertig geworden mit ihrem Studium der Logistik (B. Eng.) an der Technischen Hochschule Wildau. Im Interview gibt sie einen Einblick und erzählt ausführlich, warum sie sich für die TH Wildau entschieden hat. Außerdem berichtet sie, warum es als Frau nur Vorteile hat, sich für einen technischen Studiengang zu entscheiden. (PG)

Was wolltest du als Kind mal werden? Weißt du das noch?

Çağla: Oh, das ist eine schwierige Frage. Ich glaub, es war was Klassisches. Ärztin oder Anwältin, weil das ja auch zu Hause immer so ein bisschen eingetrichtert wurde, dass man was „Anständiges“ machen soll. Ich glaube, ich wollte Ärztin werden. Und ich finde den Beruf immer noch toll, muss ich ehrlich sagen. Hätten wir die Problematik mit dem Numerus Clausus nicht, dann hätte ich wahrscheinlich Medizin studiert.

Und wie bist du dann auf den Studiengang gekommen, den du jetzt studierst?

Çağla: Also die finale Studienwahlentscheidung ist mir am Ende gar nicht so leichtgefallen. Ich habe zum Ende des Abiturs dann natürlich auch angefangen, zu überlegen: Was willst du jetzt studieren? Meine Referenz war immer das, was mir in der Schule Spaß gemacht hat. Mehr hat man ja im Grunde nicht. Und so war Biologie ganz interessant, reine Biologie wollte ich aber auch nicht studieren, weil auch da hört man ganz oft „du endest als Taxifahrerin“. Aber Biotechnologie fand ich dann wiederum ganz interessant, weil ich wusste, in Deutschland sind die technischen Berufe und auch die MINT-Berufe, das habe ich dann irgendwann auch mitbekommen bei der Suche, gerade für Frauen sehr spannend. Frauen in diesem Bereich werden ja gesucht und auch gefördert. Ich habe dann nach dem Abitur, weil ich keine Entscheidung treffen konnte, auch erst überlegt, wie kann ich die Zeit noch weiter überbrücken bis zu meiner finalen Entscheidung? Und so bin ich an der TU Berlin im Studiengang "MINTgrün" gelandet. In diesem Orientierungs-Studiengang wurden die verschiedenen Studiengänge der Universität vorgestellt. Uns wurde grundsätzlich gezeigt, wie man sich Studiengänge genauer angucken kann, dann wurden uns die Studienverlaufspläne vorgestellt und das Modul-Handbuch.

Und dann hat mich irgendwann der Ehrgeiz gepackt. Ich wollte unbedingt in die technische Richtung gehen. Obwohl ich jetzt keine Affinität zu Mathe und Physik hatte, also zu den Fächern die man in diesen Studiengängen ja auch oft antrifft. Aber ich wollt's halt einfach gemacht haben, weil ich wusste, das ist ein Bereich, der bietet viel Perspektive für mich und es ist ein Bereich, in dem nicht so viele Frauen vertreten sind. Wieso probierst du es nicht einfach aus? Und ja, dann habe ich mich weiter informiert und bin dann irgendwann auch davon ab, nur im Berliner Raum zu suchen und habe meine Suche ausgeweitet auf Brandenburg. Und so bin ich dann irgendwann auf die TH Wildau gestoßen und dann auch auf den Studiengang Logistik. Und Logistik fand ich sehr interessant, der ist besonders hängengeblieben, weil ich damit erst mal nicht wirklich was anzufangen wusste. Ich hatte ein paar Assoziationen mit der Post beispielsweise, mit Speditionen, mit LKWs, die man auf Autobahnen sieht. Das sind jetzt erst mal in Anführungszeichen, keine positiven Assoziationen. Bei mir war es glücklicherweise so, dass ich einen Onkel habe, der Wirtschaftsingenieur ist und er hat auch seinerseits lange in der Logistik gearbeitet. Und mit dem habe ich dann gesprochen und der hat in Berlin damals für ein Unternehmen gearbeitet und hat Wirtschaftsingenieure unserer Hochschule betreut und kannte daher auch die TH Wildau. Und zur Logistik, hat er gemeint, mach das auf jeden Fall, das ist eine gute Hochschule und mit Logistik bist du auch gut aufgestellt. Der Studiengang ist sehr vielseitig und damit wirst du wirklich auch eine gute Perspektive haben und so habe ich das dann gemacht. Also tatsächlich ohne groß vorher von einer Logistik-Karriere geträumt zu haben und vielleicht auch ein bisschen, weil ich mit der Menge an Studiengängen, die wir hier im Berlin-Brandenburger-Raum haben, fast schon überfordert war. Eigentlich hat mich fast jeder Studiengang angesprochen, aber ich hatte auch immer etwas auszusetzen. Und so fiel dann vielleicht meine Entscheidung auf die Logistik, weil ich so lange gesucht habe und es so spannend klang und ich nicht ganz wusste, was auf mich zukommt. Es war ja dann auch wieder eine technische Richtung und man hat ja dann am Ende den Bachelor of Engineering. Deswegen schien das der perfekte Studiengang zu sein.

 

» Ich glaube, es ist auch wichtig, die eigenen Grenzen zu überwinden oder auszuweiten und etwas zu machen, was einen erst mal herausfordert. «

 

Es ist also Zufall gewesen, dass du auf den Studiengang gestoßen bist, denn Wirtschaftsingenieurwesen hätte es ja auch werden können?

Çağla: Wirtschaftsingenieurwesen hätte es auch sein können, aber da habe ich wie gesagt, dadurch, dass ich an der TU beigebracht bekommen habe, die Studiengänge genauer unter die Lupe zu nehmen, die Studienverlaufspläne und das Modul-Handbuch jeweils angeguckt. Und dann habe ich festgestellt, die haben noch mal mehr Physik, die haben noch mehr Mathe und da wirkte der Logistik-Studiengang ein wenig freundlicher auf mich.

Der Übergang von der Schule in die Hochschule, wenn du dich daran erinnern kannst, wir war der? Hattest du einen direkten Übergang?

Çağla: Ja, im Grunde schon, weil ich direkt nach dem Abitur dann das Orientierungsstudium gemacht habe. Und ich war ja in der Zeit faktisch vollwertige Studentin, also hatte auch den Studierendenausweis und alle Vorzüge, die eine Studierende so genießen kann. Ich erinnere mich an den Immatrikulationstag. Unser Studiengang war ziemlich groß. 500 Studierende hatten sich eingeschrieben und waren auch an dem Tag vor Ort. Und wir hatten uns im Audimax versammelt. Und da waren auch die Studierenden der anderen Studiengänge da und das war einfach so voll. Der Raum war wirklich bis aufs Äußerste voll. Die Leute saßen teilweise auf den Treppen, weil sie keinen Platz hatten. Die Tatsache, dass man sich seinen Stundenplan allein zusammenstellen musste und dass man einer von vielen ist. Das waren doch Umstände oder Zustände, die haben mich ziemlich überfordert, weil ich diese Klassengemeinschaft in der Schule eigentlich immer ganz gut fand. Ich mochte die Tatsache, dass es immer die gleichen Gesichter sind, die man um sich hat und dass man einen konkreten Ansprechpartner hat, den Tutor. Wenn man sich für bestimmte Kurse entschieden hat und die dann auch regelmäßig besucht, hat man schon auch immer wieder die gleichen Leute gesehen. Aber trotzdem war es anders und man war plötzlich auf sich allein gestellt. Also der Übergang von der Schule war ziemlich harsch. Das war dann auch einer der Gründe, weshalb ich für mich später entschieden habe, ich will gar nicht an einer Universität studieren.

Als du angekommen bist an der TH Wildau, hast du da leichter reingefunden oder wie war das im Übergang? Gibt es irgendwas, was dir in Erinnerung geblieben ist?

Çağla: Also ich habe mich in Wildau viel schneller zurechtgefunden und habe mich auch schneller wohlgefühlt, weil Strukturen gegeben waren, wie man sie teilweise halt auch in der Schule hat. Der allererste Unterschied, den ich zur Universität feststellen konnte, war die Tatsache, dass die die Gruppengröße im Studiengang eine ganz andere war. Da waren wir dann plötzlich nicht mehr 500 Leute, sondern ich glaube, zur Immatrikulation waren wir 40 Leute. Das war der erste große Unterschied. Der zweite große Unterschied war, dass man einen Stundenplan bekommen hat und dass man sich im Grunde wie in der Schule gefühlt hat und das war sehr gut. Der Dozent war da. Man hatte eine kleine Studiengruppe und der Studiengang wurde dann nochmal in Seminargruppen aufgeteilt. Das heißt, die Gruppen waren nochmal kleiner und man hat sich dann viel schneller zurechtgefunden. Man hat die Leute um sich herum schneller kennenlernen können. Man hat auch die Dozierenden besser und schneller kennenlernen können und hat sich dann auch eher mal getraut, nach vorne zu gehen und eine Frage zu stellen. Wenn ich mir vorstelle, dass ich in der TU teilweise in Mathe-Vorlesungen saß mit hunderten Leuten und mir ist eine Frage aufgekommen, dann habe ich mich selten getraut, die Hand zu heben und die Frage zu stellen. Hier in Wildau ist das dann anders und so habe ich mich dann auch mal getraut, vielleicht in der Pause zum Dozenten zu gehen oder nach der Vorlesung.

 

Kannst du aus deiner Perspektive heraus sagen, warum mehr Frauen im MINT-Bereich studieren sollten?

Çağla: Ich glaube, es ist auch wichtig, die eigenen Grenzen zu überwinden oder auszuweiten und etwas zu machen, was einen erst mal herausfordert. Und wie gesagt: Mathe und ähnliches liegen mir immer noch nicht. Aber indirekt hat man hoffentlich herausgehört, dass ich nicht nur nach dem „Spaß-Faktor“ gehen wollte, sondern ich wollte auch immer etwas machen, was „vernünftig“ ist – also etwas, was mir die Perspektive bietet, auch wirklich gut aufgestellt zu sein. Und das war dann halt in dem MINT-Bereich gegeben und deswegen habe ich mich auch dafür entschieden.

Ich lese gerade ein Buch: „Lean In: Frauen und der Wille zum Erfolg“. In dem angesprochenen Buch heißt es beispielsweise, dass Frauen oft in Schubladen gesteckt werden. Wir sind gut in allen Sprachen und in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern. Wir sind Wesen, die lieb und nett und auch immer am Gemeinwohl interessiert sein sollen. Sobald aber eine Frau dominant wirkt und auch mal versucht, die eigenen Interessen durchzubringen, wirkt das sofort unsympathisch, weil das eben Eigenschaften sind, die man eher Männern zuschreibt. Dabei ist es aber als Frau teilweise echt wichtig, dass man auch diese Dominanz ausstrahlt, um sich seinen Platz zu schaffen. Für den Erfolg braucht man die Dominanz. Man braucht aber andererseits auch diese Sympathie, die andere einem gegenüber empfinden. Und so ist es manchmal echt eine Zwickmühle.

Im Studienfach Logistik gibt es einen hohen Praxisanteil, schon ab dem zweiten Semester. Wie hast du das erlebt?

Çağla: In unserem Studiengang gibt es ja die Voraussetzungen, dass man ein Vorpraktikum macht oder, wenn man das Vorpraktikum nicht macht, dass man Berufserfahrung mitbringt. Dann macht man ein studienbegleitendes Praktikum. Ich habe dann, weil ich weder Berufserfahrung hatte, noch im Vorpraktikum war, in den Semesterferien gleich nach dem ersten Semester in der Logistikplanung eines Unternehmens für acht Wochen das studienbegleitende Praktikum gemacht. Im zweiten Semester hatten wir dann viele Projekte, aber noch keines, das mit einem realen Unternehmen gelaufen ist. Finde ich auch besser so, denn im zweiten Semester ist man noch so jung und frisch, dass man die Erfahrung und auch das Wissen noch gar nicht hat. Und das hat sich dann schnell verändert. Im vierten Semester fing es so richtig an, da hatten wir dann das Praxissemester, sollten also fünf Monate in einem Unternehmen verbringen und das hat auch Spaß gemacht. Das Semester habe ich dann mit einer Kommilitonin zusammen in einem Unternehmen verbracht. Im fünften Semester folgte ein Projekt mit einem Unternehmen und im sechsten Semester hatten wir auch noch mal zusammen mit einem Unternehmen ein weiteres Projekt und über dieses bin ich dann auch zu meinem jetzigen Arbeitgeber gekommen.

Das ist ordentlich Praxis. Diesen hohen Praxisanteil haben auch nicht alle Studiengänge bei uns und an einer Universität schon gar nicht.

Çağla: Das finde ich auch. Und ich muss auch ehrlich sagen, dass es teilweise anstrengend war, aber das war im Nachgang auch gut, weil es im Berufsleben teilweise nicht einfacher ist. Und das war oft eine gute Vorbereitung.

Was war das Spannendste für dich im Studium?

Çağla: Das vierte Semester. Es hat für mich tatsächlich eine Art Wendepunkt dargestellt, weil ich nicht mit der größten Motivation dieses Studium angefangen habe und ich hatte auch ganz oft in den ersten Semestern die Überlegung: Machst du vielleicht doch was anderes? Hättest du vielleicht doch Biotechnologie studieren sollen? In den ersten drei Semestern hatten wir auch wenig studienfachspezifische Module. Es war wirklich das „Grundlagenstudium“. Ab und zu hatten wir Fächer wie Materialflusstechnik oder Statistik mit stark logistischem Bezug. Aber an sich waren es Fächer wie Mathe 1 oder Informatik 1. Deswegen hat mir das Studium am Anfang auch – ich will nicht sagen – keinen Spaß gemacht, aber ich habe manchmal überlegt, ob ich nicht etwas anders hätte machen können, was mir auf Anhieb gut gefallen hätte. Und ich habe mich dann auch tatsächlich in den ersten Semestern nach anderen Studiengängen umgeschaut und dann gedacht: Okay, viertes Semester, das ist eigentlich eine ganz gute Möglichkeit zu sehen, was ich mit dem, was ich bisher gelernt habe, überhaupt machen kann. Deswegen war das vierte Semester für mich sehr spannend, weil es mir den ersten Einblick in das Berufsleben als Logistikerin ermöglicht hat.

Ich war dann mit einer Kommilitonin in einem Unternehmen, das hat Büroflächen und Laborräume für Biotechnologie-Unternehmen bereitgestellt und dort waren nun die Kapazitäten ausgelastet. Entsprechend haben sie dann also angefangen, neue Flächen zu bauen. Und angrenzend an die Labore und an die Büroräume sollte dann auch ein Logistikzentrum gebaut werden. Für dieses Logistikzentrum waren einige Fragen interessant. Wie muss dieses Logistikzentrum ausgestattet sein, damit es die Biotechnologie-Unternehmen anspricht? Wie groß muss das Ganze sein? Mit welchen Kapazitäten muss man rechnen? Dann hat man ja noch an die Lagerung von medizinischen Gütern ganz andere Ansprüche, also auch rechtlich gesehen andere Ansprüche. Und das war dann die Aufgabe von meiner Kommilitonin und mir, dies herauszufinden und dann eine Art Lastenheft zu formulieren, was das Logistikzentrum können muss. Und dann haben wir Interviews geführt mit den Technologie-Unternehmen. Das war für mich eine spannende Zeit. Es hat echt Spaß gemacht und da habe ich auch gesehen, als Logistikerin kann ich sogar in der Biotechnologie tätig sein. Als Logistikerin ist man tatsächlich sehr, sehr breit aufgestellt. Man kann so viel machen, das ist unglaublich.

Jedes Unternehmen hat diese logistischen Fragen. Wie siehst du deine Perspektive? Wo siehst du dich in fünf Jahren?

Çağla: Ich habe für mich jetzt die IT-Richtung in der Logistik eingeschlagen und finde die Richtung super, weil das auch ein Bereich ist, der Frauen braucht. Ich finde, das ist ein sehr dynamischer Bereich im MINT-Sektor, da ändert sich schnell viel und die Konditionen sind auch oft gut. Und das hat jetzt gut funktioniert mit meinem ersten Berufseinstieg nach dem Bachelor und ich will auch erst mal in dem Unternehmen bleiben. Ich habe da auch gute Zukunftsaussichten. Selbst wenn ich irgendwann, vielleicht in drei, vier Jahren eventuell, was jetzt erst mal nicht geplant ist, das Unternehmen verlassen würde, will ich weiterhin in der IT bleiben.

 

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