Interview mit Abdul Teil 2
Die HAYDİ-Figur balanciert auf einem Seil über den Dächern der TH Wildau.

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Interview mit Abdul Teil 2

Interview mit Abdul Teil 2

 

Yelda: Abdul, du hast ja bereits über deinen Weg nach Deutschland geredet, und wie du hier aufgenommen wurdest.

Du sagtest ja bereits das es größtenteils gut lief in Deutschland. Gab es denn auch Momente bei denen du dich ausgegrenzt fühlt hast?

 

Abdul: Aus meiner Sicht lief vieles gut. Aber dazu muss ich auch sagen, dass ich vieles Vergleiche. Viele meine Freunde die ich hier im Heim kennengelernt habe, haben schlechte Erfahrungen gemacht.

Schau mal, viele verlassen ihr Familie und gehen in ein neues Land. Keiner von uns macht das freiwillig. Jeder von uns hat ein Grund.

Besonders politische und Kriegsflüchtlinge haben es sehr schwer. Wenn sie gerade nicht mit der Familie zusammen flüchten, dann lassen sie meistens ein Großteil ihrer Familie im Heimatland.

Und sagen wir mal, es läuft alles perfekt und ihnen passiert nichts auf dem Weg in das Land in das sie flüchten, dann Leben sie trotzdem mit dem Gedanken was nun mit ihrer Familie passiert.

Ich bin dankbar dafür hier in Deutschland zu sein, aber manchmal frag ich mich selber ob es wirklich das alles Wert ist wenn ich dafür meine Schwestern und meine Mutter verlassen musste…

Am Anfang war es sehr schlimm. Ich hatte Schuldgefühle weil ich meine Schwestern und meine Mutter verlassen hatte. Besonders weil es Frauen waren wollte ich sie nicht alleine lassen. Hier in Deutschland kannst du auch als Frau alleine Leben, aber in Syrien ist das nicht so einfach. Natürlich haben wir sie nicht ganz alleine gelassen, sondern meine Onkel und Freunde passen auf unsere Mädels auf.

Aber auch mit dieser Situation habe ich Glück, ich habe Verwandte die auf meine Schwestern und meine Mutter aufpassen. Die Freunde die ich hier im Heim kennengelernt habe weinen bis heute noch weil sie ihre Familie verlassen mussten. Wenn man mit so einer Last Lebt dann erscheint einem der Rest nicht mehr so Schwer.

Auf der Anderen Seite habe ich auch schon miterlebt wie Freunde Zusammenbrüche hatten weil ihre Familie in der Heimat nicht ans Telefon gegangen ist. Ich weiß was diese Jungs und Mädchen fühlen in diesem Moment: Die Mischung aus Schuldgefühlen weil du deine Familie verlassen hast, und der Angst das ihnen was passiert ist, und sie deswegen nicht ans Telefon gehen, ist einer der schrecklichsten Gefühle die ich jemals Gefühlt habe.

Moment mal, ich glaube ich bin von der Frage abgewichen…

 

Yelda: Nein, nein ich finde das sehr schön wenn du auch über deine Erfahrungen mit deinen Freunden im Heim redest. Möchtest du noch etwas hinzufügen?

 

Abdul: Nein, am besten gehen wir zu deinen Fragen zurück. Kannst du nochmals die Anfangsfrage wiederholen?

 

Yelda: Hattest du Momente in Deutschland, in denen du dich ausgegrenzt gefühlt hast

 

Abdul: Ja das sicherlich!

Ich hatte das Glück nach Berlin zu kommen und hier zu leben. In Berlin findest du jede Kultur, es gibt immer Jemanden der die selbe Sprache Spricht wie du. Und auch wenn nicht, sind die Leute sehr offen. Jedoch habe ich nicht im Zentrum gelebt, auch jetzt nicht. An den Außenbezirken Berlins sieht´s dann nicht mehr so Weltoffen aus.

Da hört man dann schön öfter schlimme Wörter.

Manche trauen sich das in mein Gesicht zu sagen, und manche nicht.

Da ich aber schon etwas Deutsch konnte als ich nach Deutschland gekommen bin, habe ich vieles verstanden was auch nicht in mein Gesicht gesagt wurde, sondern hinter meinem Rücken.

Aber die ersten Male als ich nach Neukölln gekommen bin, hat sich das so komisch das auch klingt, etwas nach Heimat angefühlt.

 

Yelda: Als du davor darüber gesprochen hast wie schwer es für dich und deine Freunde war eure Familien zu verlassen, konnte ich das gut nachempfinden. Habt ihr in einer Weise psychische Unterstützung bekommen, um besser mit diesen Gefühlen umzugehen?

 

Abdul: Leider habe ich erst spät mitbekommen wie wichtig es für uns alle gewesen wäre, eine Therapie zu machen oder nur etwas psychische Unterstützung zu bekommen.

Versteh mich nicht falsch, ein-zwei Monate nach dem ich in Deutschland angekommen bin, bat mir ein Sozialarbeiter an über das was ich erlebt habe zu reden. Das taten wir auch.

Aber leider ging dieses Angebot nur für eine kurze Zeit.

 

Yelda: Also wurde dir und deinen Freunden nur für eine begrenzte Zeit die Möglichkeit gegeben sich mit den erlebten Sachen auseinanderzusetzen ?

 

Abdul: Genau! Wir hatten vier bis acht Monate. Manche mehr, Manche weniger…

Viele der Sozialarbeiter verstanden nicht wie schmerzhaft es ist allein in einem Land zu sein mit einer unbekannten Kultur.

Denken die wirklich das du das Trauma und das Gefühl deine Familie alleine zu lassen in ein paar Monaten verarbeiten kannst? Und wenn man das nicht schafft, kriegt man schlechtes Gewissen weil man denkt das man den Sozialarbeiter enttäuscht.

Ich will auch nicht die ganze Schuld auf die Sozialarbeiter schieben, denn ich denke das die eigentlich auch nicht perfekt dazu ausgebildet sind, uns zu Helfen wie wir mit unseren schlechten Erfahrungen umgehen.

Die Sozialarbeiter waren und sind immer noch überfordert mit der Situation.

Deswegen muss meiner Meinung nach ein neues System gefunden werden wie man die Asylanten hier in Deutschland aufnimmt. Dies betrifft die Unterbringung, aber auch die psychische Unterstützung.

 

Faust an der Wand
© Pixabay.com

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