Exkursionsbericht zur Projektvorstellung „Schönefeld Nord“ – 04.06.2025
Im Rahmen der Exkursion zur Bauleitplanung der Gemeinde Schönefeld wurde den Studierenden des Studiengangs Verkehrssystemtechnik im 4. und 6. Semester ein umfassender Einblick in die strategische Entwicklung eines der derzeit ambitioniertesten Stadtentwicklungsprojekte Deutschlands gewährt. Im Rathaus Schönefeld wurde das Zukunftsprojekt „Schönefeld Nord“ vorgestellt, das nicht nur auf die enorme Wohnraumnachfrage in der Region reagiert, sondern zugleich als Modell für zukunftsorientierte und nachhaltige Verkehrsentwicklung dient.
Die Gemeinde Schönefeld gilt als am schnellsten wachsende Gemeinde Deutschlands und zugleich als die jüngste Brandenburgs. Angesichts dieser Entwicklung und des zunehmenden Mietdrucks in der Region wird mit dem Projekt „Schönefeld Nord“ ein völlig neuer Stadtteil geplant, der sich in modularen Quartieren organisiert. Ziel ist es, durch eine zentrale und langfristig tragfähige Planung sowohl infrastrukturelle als auch ökologische und soziale Anforderungen in Einklang zu bringen.
Ein zentrales Thema der Präsentation war das innovative Verkehrskonzept, das die Grundlage der Quartiersstruktur bildet. Anstelle einer flächenintensiven Pkw-Erschließung sollen sogenannte Verkehrsloops realisiert werden. Diese erlauben eine punktuelle Pkw-Nutzung bis zu einem definierten Bereich je Quartier, an dessen Rand Mobilitätshubs bzw. Quartiersgaragen vorgesehen sind. Dort werden Fahrzeuge zentral abgestellt, um den inneren Quartiersbereich weitgehend vom motorisierten Individualverkehr freizuhalten. Aktuell wird mit einem Stellplatz pro Haushalt geplant; perspektivisch soll mit Ausbau des ÖPNV eine Reduktion auf 0,5 Stellplätze pro Haushalt erfolgen – eine gezielte Maßnahme zur Reduzierung der derzeitigen Pkw-Dichte von rund 1,5 Fahrzeugen pro Haushalt.
Die Verkehrserschließung des neuen Stadtteils ist jedoch stark durch bestehende Barrieren im Gemeindegebiet geprägt. Neben dem internationalen Flughafen BER, der sich mittig durch das Gemeindegebiet zieht, stellt auch die bereits überlastete Autobahn- und Zubringerstruktur eine große Herausforderung dar. Die Gemeinde sieht sich mit einer Vielzahl von Trägern öffentlicher Belange (TöB) und Infrastrukturbetreibern konfrontiert, deren Zustimmung für zentrale Erschließungsmaßnahmen erforderlich ist. Um die Erreichbarkeit des neuen Stadtteils dennoch zu gewährleisten, werden neue Knotenpunkte – etwa die geplante Anschlussstelle Kiekebusch an der A113 – geprüft, um insbesondere den Zielverkehr aus dem Umland gezielt von innerörtlichen Straßen fernzuhalten.
Zur Lösung dieser Herausforderungen wurden während der Exkursion verschiedene Infrastrukturprojekte vorgestellt. Besonders hervorzuheben ist die sogenannte Mobilitätstrasse, ein großräumig angelegtes Verkehrsvorhaben, das sich von Großziethen über Schönefeld und Wildau bis nach Königs Wusterhausen erstrecken soll. Die konkrete Ausgestaltung des Verkehrsträgers – ob Bus, Straßenbahn, S-Bahn oder sogar Seilbahn – befindet sich derzeit in der Machbarkeitsprüfung. Das Projekt basiert auf der sogenannten NEOCITY-Studie.
Weiter fortgeschritten ist hingegen das U-Bahn-Projekt zur Verlängerung der Linie U7. Geplant ist eine Verlängerung von der jetzigen Endstation Berlin-Rudow über zwei neue Stationen – Schönefeld Nord und Schönefeld Bahnhof – bis zum Flughafen BER. Eine jüngst durchgeführte Wirtschaftlichkeitsuntersuchung hat diesem Vorhaben einen positiven Kosten-Nutzen-Faktor bescheinigt, sodass eine Realisierung wahrscheinlicher geworden ist. Dennoch besteht ein zentraler Zielkonflikt: Da der U-Bahn-Ausbau nicht vor dem Erstbezug erfolgen kann, muss in der Frühphase auf ausreichend Stellplätze gesetzt werden, um eine Erreichbarkeit ohne U-Bahn zu gewährleisten – auch wenn dies langfristig dem Ziel einer Reduktion des motorisierten Individualverkehrs entgegensteht.
Ein weiterer in der Exkursion thematisierter Aspekt war die Flächenverfügbarkeit: Der Gemeinde gehört nur ein geringer Anteil der für das Projekt benötigten Flächen. Die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur – Straßen, Schulen, Kindergärten – muss durch die Kommune finanziert werden, während die Bebauung größtenteils durch Investoren erfolgt, an deren Bauprojekten die Gemeinde finanziell nicht beteiligt ist. Dadurch entstehen hohe Kosten bei gleichzeitig eingeschränkten Einflussmöglichkeiten auf die bauliche Ausgestaltung. Zusätzlich steht die Gemeinde durch den Landesentwicklungsplan unter dem politischen Druck, sowohl Wohn- als auch Gewerbeflächen zu schaffen, was insbesondere mit Blick auf den Zielkonflikt zwischen Flächen für Verkehr, Umwelt und Bebauung eine planerische Herausforderung darstellt.
Auch bestehende technische Rahmenbedingungen beeinflussen die Planung: So muss etwa ein geplanter Grünstreifen dauerhaft bestehen bleiben, da eine Hochspannungsleitung in diesem Bereich nicht ohne weiteres verlegt oder zurückgebaut werden kann. Dies hat zur Folge, dass zentrale Straßenachsen in der Quartiersplanung verschoben und Hochbauten angepasst werden müssen – teilweise mit einem Realisierungshorizont bis in die 2040er Jahre.
Aktuell befindet sich das Projekt im Stadium der Konzeptplanungen. Bis Ende 2025 sollen diese abgeschlossen und Baurecht geschaffen werden. Der Umsetzungshorizont für das Gesamtprojekt „Schönefeld Nord“ reicht bis ins Jahr 2050, wobei eine schrittweise Entwicklung vorgesehen ist. Besonders betont wurde im Vortrag, dass der Fortschritt des Projekts maßgeblich von der Schaffung sozialer Infrastruktur abhängig ist – ein Aspekt, der die Realisierung ebenso beeinflusst wie die eigentlichen Bauvorhaben.
Die Exkursion verdeutlichte eindrucksvoll die Komplexität großmaßstäblicher Stadtentwicklungsprojekte im Zusammenspiel von Verkehrs-, Umwelt- und Wohnraumpolitik. Das Projekt „Schönefeld Nord“ steht beispielhaft für einen integrierten, wenn auch mit zahlreichen Zielkonflikten verbundenen Planungsansatz, bei dem Nachhaltigkeit, Lebensqualität und Mobilitätswende miteinander verknüpft werden sollen. Weitere Informationen zum Projekt finden sich unter: https://schoenefeld-nord.de/
BS